Feuerball über dem Wechsel

28. Oktober 2024 | WLZ 119 | Autorin: Stefanie Schadler

Neben zahlreichen Augenzeugen haben diverse Messstationen in Österreich die seismischen Wellen eines kürzlich über das Wechselland fliegenden Feuerballs aufgezeichnet. Eine dieser Stationen befindet sich in Mariensee.

Nikolaus Horn Seismologe von GeoSphere Austria vor dem Datenlogger. Diese prozessorgesteuerte Speichereinheit, nimmt Daten in einem bestimmten Rhythmus über eine Schnittstelle auf und legt es auf einem Speichermedium ab.

Fotos © Bettina Schopfhauser

Messstation in Mariensee

Am 19. September 2024 ist ein Feuerball über das niederösterreichische Wechselgebiet gezogen und wurde dabei von zahlreichen Messstationen aufgezeichnet. Eine dieser Messstationen, auch Breitbandstation genannt, befindet sich im Keller eines Privathauses in Mariensee.

Diese Messstationen sind hochempfindlich und dienen einerseits der Erkennung von sehr schwachen Signalen wie kleine Erdbeben in der Nähe, mit denen man seismisch aktive Störungen identifizieren kann, und andererseits zur automatischen Alarmierung und Analyse bei stärkeren Erdbeben zur Information des Staatlichen Katastrophen- und Krisenmanagements, der Öffentlichkeit und der Medien über die Auswirkungen aktueller Erdbeben. Bei der Planung von Breitbandstationen werden besonders ungestörte, seismisch ruhige Standorte gesucht. Testmessungen über mehrere Monate und nachfolgende Analysen geben Auskunft über die Eignung eines Ortes. Erst danach kann mit der Errichtung einer Breitbandstation für das nationale Erdbebenmessnetz begonnen werden.

Ideal sind dafür Tunnel oder alte Bergbau-Standorte geeignet, die über mehrere Jahrzehnte betrieben werden können. Je tiefer sie unter der Erde sind, desto weniger Oberflächenstörungen und zivilisatorischer Lärm trifft auf die empfindlichen Sensoren. Manchmal werden auch Gebäude für einen Standort ausgesucht, so wie für die Messstation in Mariensee, auch MARA bezeichnet. Das Gebäude liegt sehr abgelegen, es gibt wenig Aktivitäten im Haus und es ist zudem weit von einer Straße entfernt. In solchen Fällen klopften die Seismologen an die Tür und seien sehr froh, wenn sich die Bewohner damit einverstanden erklärten, dass eine solche Station in ihrem Haus aufgebaut werde, so Nikolaus Horn, Seismologe bei GeoSphere Austria, der mit der Wechsellandzeitung die Station besichtigt hat. MARA wurde von der TU Wien ausgesucht und errichtet und wird mittlerweile von GeoSphere Austria betrieben. Die geometrische Lage des Standortes ist sehr günstig, um Erdbeben im Semmeringgebiet beziehungsweise im südlichen Wiener Becken lokalisieren zu können.

Seismische Auswertung

Mithilfe weiterer Messstationen in Österreich, darunter jenes im 18 Kilometer entfernten Grillenbergstollen in Payerbach (PYNA) sowie der 33 Kilometer entfernten Emmerberghöhle (SQWN), konnten die Bodenbewegungen auf der Ost-, Nord- und Vertikalkomponente des jeweiligen Breitband-Seismometers dargestellt werden.

Die Auswertung der Signale von Meteoren ist laut DI Helmut Hausmann, Seismologe bei GeoSphere Austria, meist recht kompliziert, da oft unklar sei, ob und wie viele Fragmentationen im Flug stattgefunden haben und wie sich die Schock- und akustischen Wellen beim Flug mit Überschallgeschwindigkeit ausbreiten. Überschallstoßwellen verlangsamen sich in der Atmosphäre und können bei ausreichender Energie akustische Wellen erzeugen, die messbare seismische Bodenbewegungen verursachen. Es gibt drei mögliche Arten seismischer Wellen: (1) direkte Druckeinwirkung der akustischen Welle auf den Boden, (2) akustische Wellen, die seitlich auf den Boden treffen und sich als seismische Wellen ausbreiten, und (3) durch den Einschlag selbst erzeugte seismische Wellen. Es sei unwahrscheinlich, dass ein Meteoriteneinschlag (3) aufgezeichnet wurde, Hausmann vermutet daher, dass ein Signal der Art (1) registriert wurde.

Laut Hausmann handelt es sich bei solchen Signalen um relativ seltene und daher außergewöhnliche Ereignisse. Die letzten vom Österreichischen Erdbebendienst seismisch erfassten Meteoriten-Ereignisse in Österreich sind vom 19. November 2020 in Kindberg und 6. April 2020 in Hallein bekannt.

Material vermutlich verglüht

Am Naturhistorischen Museum Wien gingen am 19. September laut der Kuratorin der Meteoritensammlung Dr. Andrea Patzer mehrere Feuerkugelmeldungen via Link auf der NHM-Internetseite ein. Da es sich um einen besonders auffälligen Meteor handelte, wurde ein Feuerball-Netzwerk-Experte aus der Tschechei kontaktiert. Dieser hat Zugang zum European Fireball Network, das der Beobachtung und Aufzeichnung von hellen Meteoren dient und aus 34 Fischaugenkameras in Deutschland, Tschechien, Belgien, Luxemburg, der Schweiz, der Slowakei und Österreich besteht. Der Experte konnte die Flugbahn und andere Eigenschaften des Objekts berechnen. Diesen Berechnungen zufolge ist vermutlich alles Material in der Erdatmosphäre verglüht. Falls doch etwas bis zum Boden gelangte, fiel es aller Wahrscheinlichkeit nach auf ungarisches Gebiet. Aufgrund dieser Berechnungen haben die Experten des NHM von einer Suchaktion abgesehen.

Vorab waren dem NHM keine Informationen zum Meteor bekannt. Das liege laut Patzer an der Größe des in der Erdatmosphäre eintreffenden Materials. Gesteinskörper, die sich auf Kollisionskurs mit der Erde befinden, müssen mindestens drei bis fünf Meter im Durchmesser sein, um geortet werden zu können. Kleinere Meteoroide fallen nur durch großen Zufall ins Auge der Beobachter.

Für Aufzeichnungen von Feuerbällen arbeitet das NHM mit dem französischen „Fireball Recovery and InterPlanetary Observation Network“ (FRIPON) zusammen. Allerdings sei die Liveübertragung von Feuerbällen zurzeit aus technischen Gründen unterbrochen, so Patzer. Es gab daher keine eigene Aufzeichnung des Objekts vom 19. September 2024.