Tax Freedom Day: wirtschaftliche und ökonomische Blickpunkte
17. September 2025 | WLZ 128 | Autorin: Stefanie Schadler
Der österreichische Steuerstopptag rutscht im Jahr immer weiter nach hinten. Woran liegt das und an welchen Schrauben sollte gedreht werden, um diesen Trend umzukehren?
Jährlich macht die Junge Wirtschaft auf den Tax Freedom Day aufmerksam, der den Zeitpunkt markiert, ab dem die Österreicher statistisch gesehen so viel verdient haben, dass sie alle anfallenden Steuern und Abgaben bezahlt haben. Heuer fällt dieser Tag auf den 17. August – und ist damit zwei Tage später als im Vorjahr. Nach den vorläufigen Berechnungen des Hayek Instituts / Austrian Economics Center ist der 16. August der letzte „Steuertag“ und der 17. August der erste Tag, an dem die Bürger rein rechnerisch für sich selbst arbeiten.
Seit der erstmaligen Berechnung des Tax Freedom Day im Jahr 1976 konnte dieser Tag noch nie in der ersten Jahreshälfte erreicht werden – ein deutliches Zeichen für die hohe Steuer- und Abgabenlast in Österreich.
Wir sprachen mit Karl Maria Gerngroß, Bezirksvorsitzender von der Jungen Wirtschaft Hartberg, und Martin Gundinger vom Hayek Institut / Austrian Economics Center, über die wirtschaftlichen und ökonomischen Perspektiven zum Steuerstopptag.
Ökonomische Sicht
WLZ: Der Tax Freedom Day fällt heuer auf den 17. August – wie genau wird dieses Datum berechnet?
Martin Gundinger: Es wird die gesamte Abgabenquote ermittelt und diese auf die 365 Tage des Jahres umgelegt. Für 2025 ergibt sich eine Abgabenquote von 62,77 Prozent. Dies bedeutet, dass von jedem Euro, den ein Arbeitgeber für einen durchschnittlichen Mitarbeiter aufwendet, knapp 63 Cent an den Staat fließen. Grundlage ist das sogenannte „echte Gehalt“, also die gesamten Lohnkosten, die der Arbeitgeber trägt. Für 2025 sind das prognostizierte 66.700 Euro. Nach Abzug aller Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bleiben dem Arbeitnehmer davon nur 24.834 Euro als tatsächlich verfügbares Einkommen übrig. Die Differenz ist die Summe dessen, was der Staat beansprucht.
WLZ: Was sind die Hauptgründe dafür, dass der Tag zwei Tage später liegt als im Vorjahr?
M.G.: Hauptgründe in diesem Jahr sind die CO2-Besteuerung, die Anstiege bei den Gebühren sowie die teilweise „Wiedereinführung“ der kalten Progression.
WLZ: Österreich liegt mit seinem Tax Freedom Day im internationalen Vergleich eher spät – was sind die Ursachen dafür? Welche Rolle spielt dabei das progressive Steuersystem in Österreich? Führt es aus Ihrer Sicht zu mehr Gerechtigkeit oder zu einer zusätzlichen Belastung der Leistungsträger?
M.G.: Österreichs später Steuerstopptag ist ein direktes Resultat seines umfangreichen und teuren Wohlfahrtsstaates. Ein großer Teil der Abgaben fließt in die Sozialversicherung, allen voran in die Pensionsversicherung, die allein schon 17,58 Prozent des echten Gehalts ausmacht. Hinzu kommen hohe Konsumsteuern wie die Mehrwertsteuer und eine erhebliche Einkommensteuer. Das progressive Steuersystem spielt dabei eine entscheidende Rolle und führt aus meiner Sicht nicht zu mehr Gerechtigkeit, sondern zu einer systematischen Bestrafung von wirtschaftlichem Erfolg. Es erstickt die wirtschaftliche Dynamik, indem sich das Eingehen unternehmerischen Risikos weniger lohnt, und führt zu einer Nivellierung nach unten, nicht zu einer gerechteren Gesellschaft.
WLZ: Welche Reformen wären aus ökonomischer Sicht notwendig, damit der Tag wieder deutlich nach vorne rückt?
M.G.: Um den Steuerstopptag wieder deutlich nach vorne zu rücken, bedarf es mutiger und grundlegender Reformen, die auf die Prinzipien der Eigenverantwortung und des freien Marktes setzen.
Einige Beispiele:
1. Ausgabenbremse für den Staat: Steuersenkungen müssen Hand in Hand gehen mit einer Reduktion der Staatsausgaben. Der Staat sollte seine Aufgaben kritisch prüfen und sich auf seine Kernkompetenzen beschränken.
2. Strukturreformen im Sozialsystem: Das umlagefinanzierte Pensionssystem ist auf Dauer nicht tragfähig. Es braucht eine stärkere Förderung der privaten kapitalgedeckten Vorsorge, um die Bürger aus der Abhängigkeit vom Staat zu entlassen.
3. Vereinfachung des Steuersystems: Das System ist durch eine Vielzahl kleinerer Steuern und Abgaben unübersichtlich und ineffizient. Eine radikale Vereinfachung hin zu einem System mit niedrigeren und einheitlicheren Sätzen (Flat Tax) würde den Verwaltungsaufwand reduzieren und Anreize für wirtschaftliche Tätigkeit schaffen.
4. Senkung der Abgaben auf Arbeit: Der massive Keil zwischen den Arbeitgeberkosten und dem Nettoeinkommen muss drastisch verkleinert werden. Eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten und der Lohnsteuer würde Arbeit sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer wieder attraktiver machen.
WLZ: Gibt es positive Trends oder Entwicklungen, die man trotz hoher Steuerlast hervorheben könnte?
M.G.: Trotz der hohen Last ist der positivste Trend das wachsende Bewusstsein für diese Belastung, unter anderem durch den Tax Freedom Day. Es schafft die Basis, um die Effizienz staatlicher Leistungen kritisch zu hinterfragen, wie es das gute Recht der Bürger ist. Auf politischer Ebene sehe ich allerdings derzeit keine positiven Entwicklungen in dieser Hinsicht.
WLZ: Wie realistisch ist es, dass Österreich langfristig jemals in die „erste Jahreshälfte“ kommt – oder bleibt das ein Wunschdenken?
M.G.: Langfristig halte ich das – unter anderem auch aufgrund der Entwicklungen in Argentinien unter Milei – für realistisch. Klar ist aber auch: Das würde einen fundamentalen politischen und gesellschaftlichen Wandel erfordern – weg von der Mentalität des Versorgungsstaates und hin zu mehr Eigenverantwortung und Marktwirtschaft. Solange die Politik primär auf Umverteilung statt auf die Schaffung von Wohlstand setzt, wird der Staat einen Großteil der Wertschöpfung für sich beanspruchen.
WLZ: Manche Kritiker werfen dem Tax Freedom Day eine vereinfachte Darstellung vor. Was entgegnen Sie diesem Vorwurf?
M.G.: Natürlich handelt es sich um eine vereinfachte Darstellung – das ist ja auch der Sinn! Weil die Komplexität des Steuer- und Abgabensystems für den Einzelnen kaum noch zu durchschauen ist, schafft der Steuerstopptag eine leicht verständliche und plakative Darstellung. Kritiker, die bemängeln, dass damit das Bild des „bösen Staates“ gezeichnet werde, der den Bürgern das Geld wegnimmt, übersehen den Kern der Sache. Niemand bestreitet, dass der Staat Aufgaben erfüllt. Der Steuerstopptag liefert aber die Grundlage für die entscheidenden Fragen: Sind diese Aufgaben die enormen Kosten wert und werden die Mittel effizient eingesetzt? Er übersetzt eine abstrakte Abgabenquote von 62,77 Prozent in eine konkrete und nachvollziehbare Zeitspanne. Diese Vereinfachung ist kein Mangel, sondern ein notwendiger Dienst an der Transparenz und der demokratischen Debatte.
Wirtschaftliche Sicht:
WLZ: Sie sprechen davon, dass der „Rucksack für junge Menschen immer schwerer wird“ – wo sehen Sie die größten Belastungen?
Karl Maria Gerngroß: Es gibt eine immer höhere Steuerbelastung in Österreich und auch über den Generationenvertrag (Anm. die Absicherung der aktuellen Pensionen durch die Beiträge der aktuell Erwerbstätigen im Umlageverfahren) wird es für junge Menschen immer schwieriger. Die Steuern auf Arbeit steigen, um den Pensionsapparat am Leben zu erhalten. Besonders für Familien ist das ein großes Thema. Frauen zwischen 20 und 40 Jahren stehen immer wieder vor der Herausforderung, wie sie die Kinderbetreuung bewerkstelligen sollen. Besonders für selbstständige Frauen ist es eine Katastrophe, da sie nur in Karenz gehen können, wenn sie den Gewerbeschein ruhend legen.
WLZ: Welche Auswirkungen spüren Jungunternehmer in der Region Hartberg-Fürstenfeld durch die hohe Abgabenlast im Alltag am stärksten?
KMG: Wenn wir bei den jungen Familien bleiben, ist vor allem der Unterschied zum Burgenland groß, was die Kinderbetreuung betrifft. Der Kindergarten ist dort gratis und die Kinderkrippe teilweise auch. Das macht einen großen Unterschied zur Steiermark: Wenn ein zwei Jahre altes Kind betreut wird, geht sich das mit einer Teilzeitbeschäftigung im Einzelhandel oder beim Friseur kaum aus.
Betrachtet man generell die Steuern auf Arbeit und hier vor allem auf die Überstunden, profitiert vor allem der Staat davon. Ich bin davon überzeugt, dass es im Sinne der Unternehmer ist, dass mehr Geld beim Mitarbeiter ankommt, sodass sich die Mehrleistung aus seiner Sicht auch lohnt. Er leistet schließlich auch etwas für das Unternehmen.
WLZ: Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht am dringendsten, um junge Menschen zu entlasten?
KMG: Mehr Fairness in den Lohnnebenkosten sowie eine stärkere steuerliche Begünstigung der Überstunden. Auch beim Pensionssystem braucht es strukturelle Veränderungen. Aktuell können wir uns das Pensionssystem in dieser Art und Weise noch leisten, aber in der Zukunft wird es immer mehr Pensionisten geben – Inflation hin oder her. Und woher soll dann das Geld kommen? Noch höhere Lohnnebenkosten werden sich irgendwann nicht mehr ausgehen. Wenn wir die Pensionen nicht angehen, werden sie uns irgendwann erschlagen.
WLZ: Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der heute überlegt, ein Unternehmen zu gründen?
KMG: Wir haben im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld eine hohe Lehrabschlussdichte, und wer den Lehrabschluss und später den Meister gemacht hat, sollte den Versuch wagen, in die Selbstständigkeit zu gehen. In vielen Bereichen ist es einfacher, sein eigener Chef zu sein.
WLZ: Gibt es Ihrer Einschätzung nach bei der Steuerbelastung und Bürokratie Unterschiede zwischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen?
KMG: Allein am Beispiel der Mobilität sieht man einen großen Unterschied: Wohne ich in der Stadt, kaufe ich mir eine Jahreskarte für das Öffi-Ticket und zahle einmalig 20 Prozent Umsatzsteuer. Wohne ich am Land, fallen laufend Steuern auf das Verkehrsmittel Auto an wie Versicherung, Mineralölsteuer oder Motorsteuer. Das ist ein Grund, weshalb am Land eine höhere Steuerbelastung herrscht: Im täglichen Bedarf ist man laufend mit Steuern konfrontiert.