Das Spiel mit dem Wind

3. November 2023 | WLZ 109 | Autorin: Stefanie Schadler

Beim Drachensteigen macht man sich die Kraft des Windes zunutze, während man mit beiden Beinen auf dem Boden bleibt. Wir informieren über Regeln, Arten und die Geschichte des Drachens

Spaß mit Vorsicht

Die Blätter beginnen sich zu verfärben, die Kraft der Sonnenstrahlen nimmt langsam ab und die Winde nehmen zu: Der Herbst steht vor der Tür und damit kann einem beliebten Hobby endlich wieder vermehrt nachgegangen werden: dem Drachensteigen. Obwohl man prinzipiell zu jeder Jahreszeit Drachen steigen lassen kann, ist und bleibt die klassische Zeit dafür der Herbst. Besonders in den Monaten Oktober und November wird das welke Laub durch den starken Wind von den Bäumen gerissen. Die sinkende Sonneneinstrahlung vor allem im Norden sorgt für einen größeren Temperaturunterschied zum Süden, und je stärker diese Unterschiede sind, desto stärker wehen die Herbstwinde. Zudem sind die Grünflächen bereits abgemäht, was ein Drachensteigen auf freier Fläche einfacher macht.

Es gibt einige Regeln, die man bei dieser Herbstbetätigung beachten sollte: In Österreich darf ein Drache bis maximal 100 Meter steigen. Lässt man ihn höher steigen, ist eine Bewilligung durch die Austro Control GmbH notwendig. Im Umfeld von Flughäfen besteht ein Flugverbot. So sollten Drachen nicht in der Nähe von Stromleitungen, Windkraftanlagen und stark befahrenen Straßen steigen gelassen werden. Menschen und Tiere sollten nicht direkt angesteuert und dadurch verunsichert werden. Auch bei einem Gewitter sollte der Drachen am Boden bleiben.

Ein- und Mehrleiner

Der klassische Drachen ist der Einleiner, der üblicherweise ungelenkt ist. Sie sind vor allem für Kinder als Einstiegsdrachen sehr beliebt. Sie haben meist eine kleinere Größe und entwickeln deshalb eine geringere Zugkraft. Zudem gibt es von ihnen eine große Auswahl an Modellen. Größere Modelle gibt es auch für Erwachsene. Erhältlich sind sie mit Gestänge oder als gestelllose Drachen, die durch Kammern, die sich mit Luft füllen, Auftrieb erhalten. 

Mehrleinige Drachen nennt man auch Lenkdrachen, da man sie mit ihren zwei oder mehr Leinen lenken, steigen und sinken lassen und mit ihnen auch Figuren wie Kurven und Loopings fliegen kann. Es gibt sie seit 1970. Sie sind meist größer als die Einleiner und auch schwerer zu fliegen. Bei den Lenkdrachen mit zwei Leinen hält man eine Leine links und die andere rechts in der Hand. Neben dem klassischen Griff kommen hier auch Seilrollen oder Lenkstangen zum Einsatz, wobei man die Lenkstange notfalls auch einhändig halten kann. Bei richtiger Witterung können die Flugdrachen einen enormen Zug und eine hohe Geschwindigkeit aufnehmen. Beherrscht man jedoch den Lenkdrachen, lassen sich tolle Flugmanöver und Stunts am Himmel durchführen. 

Beim Lenkdrachen als Vierleiner werden die beiden Steuerleinen durch zwei weitere, an der hinteren Segelkante angebrachte Bremsleinen ergänzt. Durch diese zusätzlichen Leinen lässt sich der Anstellwinkel der beiden Segelflächen variabel einstellen. Damit lassen sich die Drachen auch rückwärts fliegen, auf der Stelle stehen oder drehen und sanft auf den Boden aufsetzen.

Drachen im Einsatz

Die ersten Drachen bestanden aus Seide und Bambusstäben. Richtig verbreitet haben sie sich erst, als diese teuren Materialien durch Papier ersetzt wurden. Es wird angenommen, dass Drachen im zweiten Jahrhundert vor Christus über den Handel mit Papier nach Japan und Korea gelangten. Damals glaubten die Menschen, dass Drachen ihre Bitten und Wünsche zu den Göttern tragen könnten. Feste wie das japanische Neujahrsfest gründen auf diesem Gedanken.

Im 16. Jahrhundert nach Christus kamen Drachen durch den Handel mit fernöstlichen Ländern nach Europa, und seit dem 18. Jahrhundert werden sie auch für wissenschaftliche Versuche eingesetzt. Benjamin Franklin etwa erforschte mittels Drachen die Wirkung von Blitzen. Zudem waren die ersten Fluggeräte deutlich von Drachen beeinflusst.

Drachen wurden auch im Krieg eingesetzt. In den beiden Weltkriegen wurden sie beispielsweise im Bereich der Luftüberwachung und des Schützentrainings eingesetzt. Im Ersten Weltkrieg dienten sie als Zieldarstellungen für die Fliegerabwehr und als Sperren gegen Tiefflieger. Im Zweiten Weltkrieg wurden mit sogenannten Sauls (Luftabwehrdrachen) alliierte Geleitzüge vor angreifenden Flugzeugen geschützt.

Für den sportlichen Einsatz eines Drachens wird „kiting“, das englische Wort für das Drachensteigenlassen, genutzt. Drachen können je nach Wind eine solche Kraft entfalten, dass sie den Piloten mit sich ziehen und sogar in die Luft ziehen können. Dabei unterscheidet man das Kitesurfen und das Snowkiting. Beim Kitesailing wird ein Kitebuggy gezogen. ❏