Faszination Freitauchen
29. März 2024 | WLZ 113 | Autorin: Stefanie Schadler
Dunkelheit, Stille, Kälte: In 40 Metern Tiefe und mehr wird den Sinnen nicht viel Angenehmes geboten. Das Besondere am Freitauchen liegt vielmehr in der Selbstreflexion.
Alles ist möglich unter Wasser bzw. auch unter einer Eisdecke: Untereiswasserhockey nennt sich dieser Sonderling unter den Sportarten. Im Apnoestil, gepaart mit körperlicher Anstrengung und eiskaltem Wasser, verfügt diese Sportart (noch?) über eine überschaubare Anzahl an Anhängern.
Fotos © Ivan Mircetic
Schnelle Fortschritte
Am Anfang des Trainings für das Apnoetauchen beziehungsweise Freitauchen steht das Erlernen der richtigen Atmung. Die natürlichste und entspannendste Atmung ist die Bauchatmung, die für Babys ganz normal ist, die Erwachsene aber oft irgendwann verlernen. Ivan Mircetic aus Mönichkirchen übt das Freitauchen in den unterschiedlichsten Varianten aus und erklärt, dass man durch Konzentration, die richtige Atmung, das Nehmen der Ängste und das Verstehen der Abläufe innerhalb von nur 30 Minuten seine Zeit im Anhalten der Luft verdoppeln kann.
Mircetic trainiert unter anderem in Wien in „Die Tauchschule“ und am Neufelder See, wo 20 Meter Tiefe möglich sind, aber auch am Meer. Bereits ab zehn Metern Tiefe kommt man in den Freefall, bei dem sich Auftrieb und Abtrieb umkehren und der Wasserdruck so hoch ist, dass man nach unten gedrückt wird. Man sinkt ein bis zwei Meter pro Sekunde, ohne sich bewegen zu müssen. Interessanterweise ist der Weg nach unten schwieriger als der nach oben, so Mircetic: „Je tiefer man kommt, desto bewusster wird einem, dass man den Weg auch wieder zurück muss. Deshalb ist es das Schwierigere, nicht umzudrehen. Erreicht man dann zum Beispiel 40 Meter, wird das Leben sehr einfach: Es gibt nur das Hier und Jetzt.“
Auch wenn Apnoe extrem erscheint, ist es für Mircetic keine Extremsportart. Freitauchen habe hingegen sehr viel mit Selbstreflexion zu tun und es könne extrem sein, sich damit auseinandersetzen zu müssen. „Die Erkenntnisse, die man daraus zieht, und die Momente, die man erlebt, möchte man wieder erleben beziehungsweise zu einem Punkt zurückkehren und ihn weiter erforschen“, so Mircetic. Dabei ist er überzeugt, dass Apnoe auf einer ganz anderen mentalen Ebene liegt als jede andere Sportart, die man auf Anschlag ausübt.
Ängste überwinden
Auch wenn Blackouts beim Freitauchen keine Seltenheit sind, passieren diese meistens erst knapp an der Wasseroberfläche auf den letzten zehn Metern. Dabei ist es interessant, dass die Sportler dabei nicht einatmen und zu ertrinken drohen. Vielmehr geht der Mund aufgrund der Körperwahrnehmung automatisch zu, sobald das Gesicht unter Wasser ist. Der Körper kann das Einatmen sehr lange hinauszögern, vor allem bei Bewusstlosigkeit.
Wer das Bewusstsein im Wasser verliert, könne bis zu fünfzehn Minuten ausharren, ohne Schaden zu nehmen. Das Problem sei eher, wenn man bei Bewusstsein ist und in Panik gerät, denn dann schlucke man Wasser. Gerade dieses Wissen nimmt Anfängern beim Training eine gewisse Angst.
Eine weitere Angst besteht bei den meisten Menschen gegenüber Haien. Auch Mircetic hatte auf den Bahamas Hemmungen ins Wasser zu steigen, als unter seinen Füßen ein drei Meter langer karibischer Riffhai geschwommen ist. Aber ab dem Zeitpunkt, ab dem Mircetic im Wasser war und er erkannte, dass es kein Zurück mehr gab, verflog seine Aufregung und es wurde zu einem seiner schönsten Erlebnisse unter Wasser, diese Tiere mit ihren eleganten Bewegungen zu beobachten.
Radfahren unter Wasser
Auch Radfahren ist unter Wasser möglich, auch wenn das Mircetic gemeinsam mit neun weiteren Teilnehmern im Jahr 2022 nur deshalb gemacht hat, um einen Weltrekord zu knacken. Teamleader war der österreichische Apnoetaucher Christian Redl, der elf Weltrekorde aufgestellt hat. Ziel war es, in 24 Stunden mehr als 115 Kilometer am Ergo-Bike zu schaffen, das in fünf Metern Wassertiefe aufgestellt war. Dabei wurden die Teilnehmer mit Sauerstoff versorgt und wechselten sich alle 20 Minuten ab. Zwischen den Einsätzen am Bike blieben lediglich sechs Stunden, um sich zu erholen.
Am Ende wurden es sogar 123,15 Kilometer, wodurch der bisherige Rekord um über 14 Kilometer übertroffen wurde. „Das Fahren unter Wasser fühlt sich so an, als würde man auf einer ebenen Strecke mit dem ersten Gang fahren: Man tritt ins Leere und es ist unrund.“ Außerdem entspricht ein Tritt einer Strecke von ca. einem Meter, was sehr ernüchternd ist.
Der aufgestellte Weltrekord wurde bereits ein Jahr später von Deutschen überboten. Sich den Weltrekord wieder nach Österreich zurückzuholen, schließt Mircetic nicht aus.
Eishockey einmal anders
Ein Hockeyschläger, Zweierteams und ein ausgestecktes Feld inklusive Hockeytore: Klingt nicht außergewöhnlich. Aber wenn das Eishockeyfeld nicht oberhalb der Eisoberfläche ist, sondern darunter, dann wird es speziell. Untereiswasserhockey nennt sich diese „Randsportart von der Randsportart“, schmunzelt Mircetic. Der Puck besteht dabei aus einer Styropor-Holzkombination und schwimmt unter der Eisoberfläche. Gespielt wird mit Flossen im Apnoestil, der Blick richtet sich dabei auf die Wasserunterfläche.
Das Zweierteam wechselt sich immer wieder ab, einer erholt sich kurz an der Wasseroberfläche, während der andere unter Wasser das Spiel fortsetzt. Vor allem die Kombination von zwei Grad kaltem Wasser, das durch den Neoprenanzug spürbar ist, und der körperlichen Anstrengung, während man die Luft anhält, machen diese Sportart mental sehr anstrengend. „Wenn man fast nicht mehr kann und eigentlich nicht mehr unter Wasser will, man aber muss, weil der Teampartner unten ist, dann ist es wirklich eine Überwindung“, so Mircetic. Zwischen 15 und maximal 30 Sekunden befindet sich Mircetic im Durchschnitt unter Wasser. Gemeinsam mit dem österreichischen Apnoetaucher Christian Redl hat er die Europameisterschaft gewonnen.