Von Kirchberg zur NASA

28. Oktober 2024 | WLZ 119 | Autorin: Stefanie Schadler

Franz Leberl, emeritierter Professor der Technischen Universität Graz, blickt auf eine beeindruckende Laufbahn zurück, in der er unter anderem für die NASA arbeitete und seine Firma von Microsoft gekauft wurde.

Franz Leberl vor einem mit der Ultracam Luftbildkamera ausgestatten Flugzeug der Wiener Neustädter Firma Diamond Air.

Fotos © Franz Leberl

Zwischen NASA und TU Graz

Wie wird jemand, der in Kirchberg am Wechsel aufgewachsen ist, zu einem international anerkannten Experten, der unter anderem bei der NASA gearbeitet hat? Wir haben uns bei Dr. Franz Leberl erkundigt, der als emeritierter Professor der Technischen Universität Graz in seinem Leben einige bemerkenswerte Karrieren vereinen konnte.

Nach seiner Lehr- und Forschungstätigkeit in den Niederlanden war er auf der Suche nach neuen Herausforderungen in der Forschung. Hierfür suchte er eine Stelle in den USA und fand diese am NASA-Zentrum Jet Propulsion Laboratory, wo man von seinen Vorkenntnissen im Bereich Radarbildanalyse profitieren wollte, die er dort unter anderem am Mond und an der Venus anwandte. Im Gegensatz zur herkömmlichen Photogrammetrie, die optische Kamerabilder nutzt, verwendet die Radargrammetrie Bilder, die mit Radarsystemen aufgenommen werden. Diese Bilder ermöglichen es, durch Wolken zu „sehen“ und sind unabhängig von Tageslicht. Leberl entwickelte Methoden, um Punkte auf Radarbildern exakt auf der Erd- oder Planetenoberfläche zu lokalisieren – und umgekehrt. So lassen sich zum Beispiel die Bewegungen von Meereseis auf der Erde oder die Geometrie von Kratern auf Planetenoberflächen präzise messen.

Seine Vollzeitbeschäftigung bei der NASA ging 1976 in eine Teilzeitbeschäftigung über, als er seine erste Professur an der Technischen Universität Graz begann, die er bis 1984 im Bereich Vermessungswesen innehatte. Dort gründete er 1978 die TU-Abteilung für „Photogrammetrie und Fernerkundung“ sowie das außeruniversitäre Institut für „Digitale Bildverarbeitung“ beim Grazer Joanneum Research. Parallel dazu arbeitete er für die NASA und war Teil des Science-Teams der NASA-Mission Magellan zur Erforschung der Venus.

Was vielen unmöglich erscheint, funktionierte bei ihm reibungslos: „Ich konnte in meinem Grazer Büro Aufgaben für die NASA erledigen und umgekehrt.“ Studierende schickte er zur Ausbildung in die USA, während NASA-Mitarbeiter nach Graz kamen, um dortiges Wissen zu erlernen. Dass Remote-Arbeiten damals schon funktionierte, überrascht – immerhin sprechen wir hier von den 1970er-Jahren, lange bevor Zoom und Videokonferenzen allgegenwärtig wurden.

Unternehmerische Laufbahn

Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit hat Leberl auch unternehmerische Akzente gesetzt. Anfang 1984 kündigte er seine Professur an der TU und verschwand neun Jahre lang aus Graz, um 1985 seine Firma Vexcel in Colorado zu gründen, die sich auf digitale Bildverarbeitung und Luftbildkameras spezialisierte. Dort wurden die NASA-Arbeiten weitergeführt, allerdings unter kommerziellen Bedingungen und nicht mehr als universitäre Forschung.

Erst Ende 1992 kam er nach Graz auf eine höher bewertete Professur zurück, diesmal in der Informatik. „Das stellte einen doppelten Berufswechsel dar, denn statt Vermesser war ich nun Informatiker und statt Geschäftsmann war ich nun wieder Wissenschaftler“, erinnert sich Leberl.

Während dieser zweiten Professur gründete er das Institut „Maschinelles Sehen und Darstellen“ und baute zudem seine Firma Vexcel in Colorado auf. Gleichzeitig entstand auch die Grazer Firma Vexcel Imaging im Jahr 1993, wobei in diesem Jahr auch die langjährige Kooperation mit der NASA endete. Die erste großformatige digitale Luftbildkamera „UltraCam“ wurde 2003 eingeführt und auch die innovative Technologie der 3D-Stadtmodelle nahm Fahrt auf, die bei Microsoft das Kaufinteresse weckte: Zu jener Zeit lag Microsoft im Konkurrenzkampf mit Google im Bereich der Suchmaschine Google Earth, was bei Microsoft zur Entwicklung von Bing Maps führte. Dazu kaufte Microsoft die Colorado-Firma Vexcel Corporation und die Grazer Tochter Vexcel Imaging GmbH im Jahr 2006. Vexcel spielte eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Bing Maps, welche die 3D-Landkarten für die „ortsbewusste Suche“ ermöglichte.

Revolution der Luftbildfotografie

Die Grundidee der meisten seiner 15 Patente war die „Software-leveraged Hardware“, wodurch kostspielige Gerätschaften durch intelligente Software ersetzt wurden. Sein wichtigstes Patent sei vermutlich das Zusammensetzen eines sehr großen digitalen Kamerabildes aus mehreren kleineren Kamerabildern, so Leberl. Aus diesem Patent entstand die bereits erwähnte „Ultracam“, die die Luftbildfotografie revolutionierte, die bis dahin auf analoge Filmkameras angewiesen war. Durch die „Ultracam“ waren keine schweren Filmrollen und aufwendigen Entwicklungsprozesse mehr nötig, stattdessen wurden Digitalbilder auf kompakten Digitalspeichern aufzeichnet, wodurch das Luftbildwesen sehr viel günstiger wurde. Diese Technologie ist bis heute ein Meilenstein in der Vermessungstechnik und ermöglichte es, riesige Flächen der Erdoberfläche präzise und effizient zu erfassen.

Weitgreifender Einfluss

Im Bereich Forschungsmanagement sei Leberls Tätigkeit als Geschäftsführer des Österreichischen Nationalen Forschungszentrums Seibersdorf mit rund 1.000 Mitarbeitern erwähnt, die er von 1996 bis 1998 inne hatte. Unter seiner Führung wurde das Forschungszentrum verstärkt internationalisiert, daher auch die Namensänderung in „Austrian Research Centers“, heute Austrian Institute of Technology AIT.

Mit über 382 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, 15 Patenten und der Betreuung von 48 Promotionen hat der emeritierte Professor nicht nur die Wissenschaft geprägt, sondern auch zahlreiche junge Wissenschafter auf ihrem Weg begleitet. Auch seine ehemaligen Doktoranden führen heute große Forschungsinstitute in Österreich, darunter das Grazer Joanneum Research. Sein Leben zwischen Universität und Wirtschaft sowie zwischen Österreich und Amerika bezeichnet Leberl als entwurzeltes Vagabundenleben. „Aber es ist auch viel entstanden, das heute weiterbesteht. Die Plagerei war nicht sinnlos“, resümiert er.

Auch Jazz spielt eine wichtige Rolle in seinem Leben, wo er sich als Schlagzeuger einbringt. „Ich spiele, wann immer und wo immer ich kann“, sagt er.

Franz Leberl wohnt heute an unterschiedlichen Orten, kehrt aber immer wieder anlassbezogen nach Kirchberg zurück: „Die ‚Hügel‘, die Luft, die Wälder, die Menschen, das Wetter, die Bräuche – das ist für mich Heimat.“

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