Ein Ort als Inspiration

28. Februar 2024 | WLZ 112 | Autorin: Stefanie Schadler

Anton Wildgans fand in Mönichkirchen einen seiner Lieblingsorte. Zahlreiche seiner Werke wurden von diesem Ort beeinflusst, darunter das Epos „Kirbisch“.

Wildgans sitzend am Fenster der Pension Erika, seiner Wohn- und Arbeitsstätte, wo auch die Grundidee zu „Kirbisch“ entstanden sein dürfte.

Fotos © www.antonwildgans.at 

Zweite Heimat

Mönichkirchen war für den österreichischen Lyriker und Dramatiker Anton Wildgans Erholungs- und Arbeitsraum zugleich. Er genoss die Natur, ging aber auch gerne in Wirtshäuser und beobachtete die Leute. Zahlreiche seiner Werke haben daher einen mehr oder weniger offensichtlichen Bezug zu Mönichkirchen.

1881 in Wien geboren, beginnt er bereits im Kindesalter seine Erfahrungen in Worte zu fassen. 1894 – mit 13 Jahren – befasst er sich intensiv mit Poesie und 1896 beendet er sein erstes Drama „Hippodameia“. Seinem Vater zuliebe schreibt er sich 1900 für das Jusstudium ein, das er 1909 beendet. In diesem Jahr besucht er auch zum ersten Mal Mönichkirchen, das später seine zweite Heimat werden soll. Von 1911 bis kurz vor seinem Tod 1932 kommt er bis zu viermal im Jahr zum Arbeiten nach Mönichkirchen. Sein Quartier befindet sich damals im Hotel Windbichler, später bei seinen Freunden Anna und Paul Stirner, woraus später die Pension Erika entsteht und die heute das Hotel Thier ist.

Seine Lieblingsorte in Mönichkirchen werden die Bank an der Friedhofsmauer und der Grenzstein zur Steiermark. Sein Arbeitstag ist genau eingeteilt: vormittags Naturgenuss, nachmittags und abends Arbeit. Bei diesen Vormittagsspaziergängen saugt er die Natur geradezu auf und sammelt Eindrücke aller Art – es entstehen so Vorstudien, die in zahlreichen Werken ihren Niederschlag finden. 

Ein Ort als Vorlage

Anton Eder, Deutschprofessor in Sachsenbrunn und wohnhaft in Mönichkirchen, organisiert jedes Jahr gemeinsam mit der Gemeinde eine Lesung und nennt vor allem drei Werke, die ihren Ursprung in Mönichkirchen haben: „Sonette an Ead“, von der Wildgans meinte, „Es ist das Schönste, was ich bisher lyrisch geschrieben habe“, und die ihn nach ihrer Erscheinung im März 1913 „über Nacht“ berühmt machte. Dabei kommt zum Beispiel die Biegung zum Friedhof vor, von der aus man damals einen weiten Blick über die Steiermark und das Burgenland hatte. Heute wird der Weitblick von Bäumen versperrt. Die „Rede über Österreich“ entstand laut Eder komplett in Mönichkirchen, und in seinem epischen Zentralwerk „Kirbisch“ bzw. „Der Gendarm, die Liebe und das Glück“ sind Mönichkirchen und einige seiner Bewohner ganz klar wiederzukennen. 

In „Kirbisch“ unterteilt er seinen Ort Übelbach in einen oberen Bereich rund um die Kirche und einen unteren Bereich mit dem Hotel Binder, was eine Widerspiegelung Mönichkirchens ist. Rechts von der Pension Erika, in der Wildgans wohnte, befand sich die Gendarmerie. Hier dürfte die Grundidee entstanden sein, da die Frau des Gendarmen Kirbisch ein Verhältnis hat. 

Eindeutig zu erkennen ist auch der Bürgermeister Karl Binder, Besitzer des Hotels Binder und der Fleischerei, der das Vorbild zu „Fürbaß Romanus Ägid, den lendengewaltigen Selcher“ ist. Der Bürgermeister fühlte sich durch diese Figur derart beleidigt, dass Wildgans einen Brief an ihn schrieb, dass „lendengewaltig“ gleichbedeutend mit hoher Potenz sei, weswegen man doch nicht beleidigt sein müsse, so Eder.

1950 wurde „Kirbisch“ unter Mitwirkung von Paula Wessely, Attila Hörbiger und anderen unter dem Titel „Cordula“ verfilmt. Die Abneigung der Mönichkirchner Bevölkerung gegen dieses Werk war so groß, dass die Dreharbeiten nicht in Mönichkirchen, sondern in Vorau stattfanden.

Über das Schreiben hinaus

1929 bietet Wildgans Richard Strauss das Gedicht „Österreichisches Lied“ für Orchester und Männerchor zur Vertonung an, der es mit dem Titel „Austria“ am 10. Jänner 1930 uraufführt.

Wildgans war zweimal Burgtheaterdirektor und wurde 1930 und 1931 für den Nobelpreis vorgeschlagen. Da jedoch 1929 Thomas Mann den Nobelpreis erhalten hatte, bestand für diese Zeit keine Aussicht auf eine abermalige Preiszuerkennung an einen deutschsprachigen Autor. 1932 ist Wildgans schließlich der aussichtsreichste Kandidat, stirbt jedoch kurz vorher in Mödling. Er erhält ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Der vom Mönichkirchner Dorferneuerungsverein zum 75. Todestag des Autors gestaltete „Anton-Wildgans-Themenweg“ führt zu den Schauplätzen des „Kirbisch“ und macht die Wanderer mit den Charakteren der Handlung und ihren Vorbildern bekannt.

Unter www.antonwildgans.at hat der Enkel von Anton Wildgans, Dr. Ralph Anton Wildgans, als Präsident der Anton-Wildgans-Gesellschaft umfangreiche Informationen zu dessen Leben und Werken erstellt sowie eine Bildergalerie zusammengetragen. Interessant ist vor allem auch die genaue Auflistung seiner Tätigkeiten von seiner Jugend bis ins Erwachsenenalter. ❏